Nach all den ernsten Themen der letzten Wochen und Monate komme ich heute mal wieder zu einem weniger ernsten Thema. Oder einem, das ich beschlossen habe mit Humor zu nehmen, da alles andere grob fahrlässig und völlig übertrieben wäre. Alle diejenigen, die nicht durch Social Media auf diesen Blog gekommen sind und mit der Welt der Influencer nichts zu tun haben werden vermutlich ein fassungslos mit dem Kopf schütteln. Alle anderen sollten den Text mit Humor nehmen. 😉
Wer jedoch in der Sache drin steckt wird vermutlich in den letzten Wochen auf den Hashtag #fürmehrrealitätaufinstagram gestoßen sein. Der trendet gerade sehr. Unter diesem Hashtag findet man, grob zusammengefasst, alles was man früher auch so auf Instagram fand. Nur dass die Influencer, Content Creatoren oder wie auch immer sie sich nennen nun noch einmal betonen, wie besonders real das ist, was sie da tun.
Gibt man den Hashtag in die Suchleiste ein, springt einem ein buntes Potpourri aus Bildern und Stories entgegen. Und was sieht man dort? Ein geschminktes Emogirl, das sich den aktuellen Lisa & Lena Filter übergelegt hat und glitzernde GIF Tränen weint. Was man eben so macht, im realen Leben, an einem Samstagmorgen. Es folgt: Ein Motivationscoach der erzählt, wie geil sein Leben ist, seitdem er auch an Wochenenden früh aufsteht und so immer direkt performen kann. Warum er oben ohne performed erschließt sich mir nicht direkt. Dann eine junge Dame, die gerade ihren Damenbart färbt und ein ungezogener Hund, der unerlaubter Weise auf einem Stuhl sitzt und dabei eigentlich ganz süß aussieht. Eine Influencerin, die unter der Dusche steht und für Shampoo wirbt. Und dann eine twenty-something Mummy, die ihr Kind wickelt. Genug Realität für mich an dieser Stelle.
Und wie immer, wenn ich durch das alltägliche Instagram Geschehen swipe, bin ich irgendwo zwischen Faszination und Fremdschämen gefangen. Einige nehmen die Sache mit der Realität zu ernst und andere verkaufen darunter Shampoo. Der Hund ist ganz niedlich. Also eigentlich alles wie immer.
Nur: Im Grunde verschleiert dieser Hashtag die Realität noch viel mehr. Es gibt sicherlich auch auf Instagram einige Mädels und Jungs, die diesem Hashtag alle Ehre machen und so real sind, wie man das eben gerade sein kann, wenn man im Bild- und Videoformat über den Bildschirm flimmert. Trotzdem ist es doch so: Sobald die Kameras angehen, die Fotoapparate gezückt werden, performt eigentlich jeder. Das Make Up ist vielleicht ein bisschen natürlicher und biologisch korrekter als noch vor ein paar Jahren, aber trotzdem versuchen wir uns möglichst in einem guten Licht darzustellen. Und das ist irgendwie auch gut so. Denn mal ehrlich: Wir alle haben eine dunkle Seite und 24/7 Dschungelcamp auf allen Kanälen braucht wirklich kein Mensch! Wenn ich sehen möchte, wie jemand seinen Damenbart färbt schalte ich zum Hartz 4 TV. Und Müttern, die den Popo und die Geschlechtsteile ihrer Babys vor laufender Kamera präsentieren, sollte das Smartphone entwendet werden.
Davon abgesehen tut Instagram das, was es seit seinen Anfängern als Filter-App tat: Es gibt sich gerne mal realer, als es in Wirklichkeit ist. Und ich nehme mich da nicht aus. Insbesondere meine Instagramstories waren in den letzten Wochen oft recht privat. Ich versuche mir selbst treu zu bleiben und trotzdem ist das was ich da zeige nicht die hundertprozentige Realität. Ich habe immer noch (gottseidank) ein Leben, das offline stattfindet. Niemand hat meine Wohnung Big Brother mäßig mit Kameras ausgestattet. Ich kann die Inhalte, die ich auf Instagram teile, selber bestimmen. Klar denke ich manchmal „Ok, das hättest du jetzt auch anders formulieren können“. Aber unterm Strich ist es doch eine von mir gefilterte Realität, die da nach draußen dringt. Manchmal hat sie mehr Mehrwert als an anderen Tagen. Manchmal auch weniger. Und das ist völlig in Ordnung.
Und während ich diese Zeilen schreibe höre ich schon die ersten rufen: „Aber die armen dreizehnjährigen Mädels! Die bekommen so ein völlig falsches Bild von der Realität und denken, dass auf Instagram alle ein perfektes Leben und wunderschöne Haut haben.“ Da ich keine dreizehn mehr bin kann ich es natürlich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich bin mir doch recht sicher, dass gerade dreizehnjährige Mädels wissen, dass Instagram eine breite Palette an Filtern bereit hält und nicht jeder der es vorgibt, eine makellose Haut hat. Oder Hundeohren.
Überhaupt ist das mit der Realität auf Instagram so eine Sache. Er ist und bleibt ein Hashtag. Und nur weil jemand uns das erzählt heißt das nicht, dass das, was wir das gerade im 1:1, 4:5 oder 9:16 Format sehen, wirklich die Realität ist. Wir werden niemals so ganz genau wissen, ob unser virtueller Gegenüber wirklich authentisch ist oder uns gerade einfach eine riesige Show vorspielt.
Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht so wichtig. Vielleicht ist es auch völlig egal, ob die gebotoxten und operierten Top Influencer fröhlich #nomakeup in die Kamera grölen, die veganen Zerowaste Ikonen sich heimlich hin und wieder mal ein Steak reinziehen oder doch versehentlich für den ein oder anderen Werbedeal ihre Prinzipien über Bord schmeißen, die selbsternannten Top Speaker eigentlich nur an unser Geld wollen. So lange uns das alles wahlweise unterhält, zum Nachdenken bringt oder ein gutes Gefühl gibt, ist das Ziel ja eigentlich erreicht.
Und wenn wir dann doch mal wieder hinterfragen, warum unsere eigene Realität so von der auf Instagram abweicht, hilft es sich in Erinnerung zu rufen, dass #mehrrealitätaufsinstagram keine durch Studien bewiesene Tatsache ist, sondern einfach nur ein Hashtag. Von Instagram, für Instagram.
Super gut geschrieben! Ich sehe das ganz ähnlich. Vielen Dank für den Beitrag.
Vielen Dank dir für deinen Kommentar. ?
Schwierig! Ich finde Menschen die sich realitätsnah zeigen absolut wichtig. Es gibt auch auf Instagram so viele tolle Accounts, die sich mit aktuellen Themen beschäftigen (Umwelt, Politik ..) haben deutlich einen Mehrwert.
Liebe Kathrin,
gegen Mädels (und Jungs), die sich für wichtige Themen einsetzen habe ich auch überhaupt nichts und ich halte das auch für wichtig. Das heißt aber in meinen Augen nicht, dass diese Accounts realitätsnaher sind. Die Bilder werden oftmals trotzdem bearbeitet, hier und da kaschiert und auch in diesem Bereich ist nicht alles so echt, wie es von außen oftmals aussieht.
Das soll aber alles keine Kritik sein. Wie im Text gesagt: Ich finde das absolut ok und bin auch nicht der Meinung, dass sich dadurch der Wert mindert.
Ich selbst habe kein Instagram, höre in letzter Zeit aber immer mehr über die perfekte darstellung der influenzer. Generell habe ich nichts dagegen, einen Filter über Bilder zu ziehen und sie etwas auf zu hübschen. Oft finde ich die Qualität der Bilder nicht gut, die Farbe zu blass oder was auch immer. Aber das ganze als DIE Realität hin zu stellen, finde ich dennoch verlogen und ich kann mir vorstellen, dass gewisse Personen mit niedrigem selbstbewusstsein sich davon angegriffen fühlen können.
Viele Grüße
Wioleta von http://www.busymama.de